Dienstag, 10. November 2009
Gerade noch so
Den ganzen Tag habe ich überlegt, ob ich noch etwas zum 20. Jahrestag des Mauerfalls schreiben soll. Oder nicht. Hin und her ging das. Einerseits könnte ich so viel schreiben, der Vater in Dresden geboren, ich selbst in Leipzig seit vielen Jahren lebend, über die Verwandtschaft zu DDR-Zeiten immer Kontakt zum real existierenden Sozialismus gehabt. Irgendwie schien mir alles dazu gesagt, was heute in Zeitungen und im Internet stand bzw. im Fernsehen gezeigt wurde. Gegen Ende des Tages ist man dann meistens etwas schlauer, so auch heute. Ich könnte jetzt meine persönlichen Erfahrungen mit der DDR aufschreiben, meine Kindheitsbegeisterung für Frösi-Hefte, Softeis und Broiler, mein Erstaunen über "Deutsche" im Ausland und dass meine Mutter an der deutsch-deutschen Grenze mit der MP im Rücken aufs Klo begleitet wurde, mein erstes Durchfallerlebnis durch DDR-Gastronomie, Familiennostalgie in Dresden-Niedersedlitz undsoweiter undsoweiter. Aber das gehört in erster Linie mir und bereitet außer mir auch niemandem größere Freude. Oder nur vielleicht.
Was aber heute klar scheint ist, dass DDR ein Thema ist wie Lothar Matthäus, katholische Kirche oder Schwaben in Berlin ist - es polarisiert. Entweder man ist dafür oder dagegen bzw. freut sich über die offenen Grenzen und die Wiedervereinigung oder aber wünscht sich die Mauer zurück. So richtig schnuppe ist das Thema niemandem. Schnuppe war die DDR den Punks, die in ihr lebten, so Anfang der 80er. Das fasziniert mich, dass man mit der Bewertung eines Landes, das es nicht mehr gibt, Leute aufs Blut reizen kann, teilweise auch Leute, die nie dort waren, und auch heute den Gang in den Osten der Republik vermeiden, sofern dies möglich ist.
Das sind in Mehrzahl sogenannte Besser-Wessis. Von denen existieren immer noch ein paar, manche sind ruhiger geworden, haben dafür Nachwuchs gezeugt, der jetzt saudumm daher schwätzt, immer aus der Weltperspektive heraus (Gütersloh, Braunschweig, Pforzheim, Verden, Itzehoe, Dingolfing, Fulda oder wo auch immer).
Und es gibt, und das muss es, wenn ich sage, dass das Thema polarisiert, die Ostalgiker. Mehrheitlich auch selten oder nie im anderen Teil der Republik gewesen, wohl aber informiert, dass dort nur Heuschrecken leben, Besser-Wessis, Finanzblutsauger, überhaupt Leute, die komisch riechen und den ganzen Tag nur lügen und betrügen.
Mit dieser Analyse stehe ich nicht alleine da, wohl aber habe ich als einziger Mensch eine Lösung parat: den Aufbau WOST!
Liebe Politiker,
bitte gebt den Menschen Reisegeld!
Unser Land kann nicht warten, bis alle Vorurteile an Altersschwäche sterben. Wenn die Leute nicht gerne in den Osten bzw. Westen reisen wollen, dann schenkt ihnen diese Reisen. Damit hat man den Deutschen in Ost wie West am Schlawittchen - wenn es nichts kostet, ist er dabei!
Und auch wenn dadurch manche "kalte" Konfrontation eskalieren mag, dürften dadurch auch Freundschaften und Verständnis reifen.
Vor allem freuen sich dann doch mehr Menschen als angenommen in Gütersloh oder Fulda über meine Geschichten aus Dresden-Niedersedlitz, in denen ich Softeis esse und an der Grenze um meine Mutter bange, während sie doch nur Pipi muss.

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