Donnerstag, 8. Oktober 2009
Metamorphosiker
Da saß er wieder einmal. Frank Plasberg hatte ihn zu „Hart aber fair“ eingeladen, um ihn in seiner Talkrunde zum Thema Integration sitzen zu haben. Und er hat die Fernsehmacher nicht enttäuscht. Oswald Metzger hat immer etwas zu sagen. So kennt man den engagierten Oberschwaben, der seine Herkunft vielleicht etwas zu oft in den Ring wirft. Bei vielen Wirtschaftsthemen wirken seine Vergleiche von weit entfernten Regionen der Republik mit den Erfahrungen aus seiner Heimat mitunter unmöglich und weltfremd. Aber er zieht diese Vergleiche meist entschieden und ohne BlaBla. Vielleicht unterscheidet ihn das von erfolgreicheren Personen des politischen Geschäfts.
Und so entschieden saß er bei Plasberg und betonte, dass er sich als Grüner mit seinen damaligen Parteikollegen für die Muslime in der Kopftuchfrage stark gemacht habe. Damals.
Heute ist Oswald Metzger CDU-Mitglied, in Integrationsfragen kann man ihm aber getrost weiterhin grünes Denken unterstellen sowie man ihn in Wirtschaftsfragen in die Nähe der FDP stellen kann. Sein politisches Leben begann 1974 aber in der SPD. Der einst „ordoliberale Grüne“ (Selbstbezeichnung) ist in der Schweiz zur Welt gekommen.
Derselbe Oswald Metzger, der bei Frank Plasberg seinen Eifer für Integration betonte, hatte dem Magazin „Stern“ einmal gesagt, dass viele Sozialhilfeempfänger ihren Lebenssinn darin sähen, „Kohlenhydrate oder Alkohol in sich hinein zu stopfen, vor dem Fernseher zu sitzen und das Gleichen den eigenen Kindern angedeihen zu lassen.“ Diese verschiedenen Entwicklungsstadien kann man wohl als Metamorphose bezeichnen. Oswald Metzger ist Metamorphosiker und kein Einzelfall, schon gar nicht in der Politik.
Ein weiterer Metamorphosiker war lange Parteikollege von Metzger: der ehemalige Steinewerfer, Taxifahrer, Bundestagsvizepräsidents-Beschimpfer, Bundesaußenminister a.D., Lobbyist und Jojo-Effektiker Joschka Fischer. Nach mehrfachem Wechsel seiner Ansichten hat dieser aber sein grünes Parteibuch behalten. Warum weiß außer ihm allerdings niemand so recht.
Die Liste grüner Wandlungen ist noch länger. Gunda Röstel, einst vielleicht so etwas wie eine Hoffnungsträgerin grüner Politik und Zeugnis vermeintlich guter Nachwuchsarbeit innerhalb ihrer Partei, wechselte nach ihrer politischen Tätigkeit vorübergehend als Managerin in den Energiekonzern E.ON. Vielleicht dachte sie, der Konzern sei so wandlungsfähig wie sie selbst.
Dagegen ist es keine Metamorphose, wenn Ex-Kanzler Gerhard Schröder für Gasprom tätig ist oder wenn Otto Wiesheu zur Deutschen Bahn wechselt. Das ist ungefähr so gut nachvollziehbar als wenn ein FDP-Politiker nach einer Legislaturperiode Steuerberater wird.
Natürlich kommt kein Mensch vorgefertigt zur Welt, geknebelt mit der Pflicht gefälligst so zu bleiben. Jeder Mensch darf und soll sich im Laufe seines Lebens wandeln. Die Wandlungen sind oft das Ergebnis von Lernprozessen. Schließlich meint Metamorphose so etwas wie das erwachsen werden. Alles kann man damit allerdings nicht belegen. Wie kommt etwa ein Aktenhengst wie Edmund Stoiber zum Bürokratieabbau nach Brüssel?
Eine Metamorphose ist dann abgeschlossen, wenn das Lebewesen sich vom Larven- ins Adultstadium gewandelt hat. Nicht auszudenken, was das im Fall von Oswald Metzger noch bedeuten könnte. Er könnte beispielsweise Schily (ebenfalls prominenter Metamorphosiker) werden. Das würde bedeuten, Metzger würde sein engagiertes Diskutieren in rigides Handeln kanalisieren, dabei steinalt und steinreich werden, dieses aber verschweigen. Dazu müsste Metzger allerdings auch wieder zurück in die SPD, dort wo Schily (noch) Mitglied ist, nachdem er sich nicht mehr grün fühlte. So eine Metamorphose kann natürlich dauern. Ob es die SPD dann noch gibt?
Aufatmen. Da es die Metamorphose beim Menschen nicht gibt, können wohl alle munter weiter die Gesinnungen wechseln. So lange Geld für Kohlenhydrate, Alkohol, Öl und ein bisschen Strom da ist. Mindestens so lange.

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