Mittwoch, 16. September 2009
Ziviler Ärger
Weil in diesen Tagen im Zusammenhang mit den S-Bahnschlägern von München das Wort „Zivilcourage“ so gerne und so oft benutzt wird, will ich in diesem Zusammenhang eine persönliche Geschichte in Analogie zum Zustand unserer Gesellschaft bringen. Vor vier Wochen hat mir jemand den linken vorderen Blinker und das Licht an meinem Auto kaputt gefahren plus Kratzer an der Stoßstange verursacht. Abgesehen davon, dass mich dieser Ärger knapp 50 Euro gekostet hat, hat sich der Verursacher (oder die Verursacherin) nicht gemeldet, sondern Fahrerflucht begangen (es sah eindeutig nach einem kleinen Crash durch ein anderes Fahrzeug aus). Keine Nachricht am Scheibenwischer, kein Hinterlassen einer Nummer – und keine Zeugen! Tatort: Parkplatz vor einem Supermarkt in der Leipziger Südvorstadt. Tatzeit: gegen 19 Uhr an einem Dienstag. Ich habe mich umgehört: niemand wollte etwas gesehen haben.
Nun kann das vielleicht daran liegen, dass mein KFZ ein älteres Mercedes-Fabrikat ist und diese Marke im Globalisierungszusammenhang womöglich als Heuschrecke wahrgenommen wird und sich deshalb politisch motivierter Hass auch an solchen Fahrzeugen entlädt wie Brandstiftungen in Berlin zeigen (Quelle: http://www.sueddeutsche.de/panorama/312/487715/text/). Fakt ist: Ich habe mich natürlich maßlos geärgert, weil mein Schaden zeigt, was heutzutage öfter vorzukommen scheint. Es kommt vor, dass solches Verhalten mit der sozialen Schieflage in Deutschland begründet wird, dass also jemand einen Unfall verursacht ohne dies zu- oder anzugeben, weil er befürchtet, den Schaden nicht bezahlen zu können. Aber dieses Argument, das mir schon etliche Male in Diskussionen entgegengebracht wurde, ist Unsinn – man hat nicht umsonst eine Haftpflichtversicherung fürs Auto. Ich unterstelle eher, dass es mit Anstand und Empathie in dieser Gesellschaft nicht weit her ist, dass sich jeder der Nächste ist, keine Verantwortung für mehr als sich selbst übernehmen will (was in diesem Fall ja schon nicht mal funktioniert hat). Klingt wie ein Rundumschlag, soll zumindest zum Nachdenken anregen und ist natürlich persönlich motiviert. Der Bogen zur Zivilcourage... nun, ich wünschte mir, dass Zivilcourage absolut ist, dass man nicht unterscheidet, ob es Jugendliche sind oder ein Dutzend schwer bewaffnete Nazis sind, und dass es egal ist, ob man einen Fiat Uno andellt oder einen Mercedes. Ich kenne Leute, die sagen: „Diebstahl ist scheiße, aber klauen bei H&M ist ok, die haben genug Geld.“ Und so ähnlich argumentieren diese Leute in meinem Schadensfall. „Wahrscheinlich hat der Unfallverursacher gedacht, wer einen Mercedes fährt, kann sich so einen kleinen Schaden leisten.“ Ein Irrtum der ganz perversen Art. Mit etwas mehr Empathie und etwas weniger Ignoranz weiß man zu unterscheiden, zumal mein Auto sehr alt ist und mit Luxus oder Statussymbol nicht wirklich etwas zu tun hat. Egoismus und Ignoranz sind übrigens Statussymbole im Geiste – wer darauf nicht verzichten kann, trägt zur Demoralisierung einer Gesellschaft bei, in der Geld immer eine geduldete Rolle spielt und spielen wird – solange es nicht um das eigene geht!

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